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Anordnung molekulargenetischer Untersuchungen 

beim Nichtverdächtigten

 

Beschluss des Landgerichts Frankenthal

II Qs 363/99 vom 6.10.1999

 

Abgedruckt auch in: NStZ-Rechtsprechungsreport Jg. 5. 2000, S. 146.

 

 

Die Anordnung molekulargenetischer Untersuchungen ist beim Nichtverdächtigen zulässig, wenn dieser Kontakt zum Tatopfer gehabt haben könnte.

 

Im Zuge der Ermittlungen gegen etliche Personen wegen eines Tötungsdelikts an der Prostituierten E in Mannheim wurde bei einer so genannten „Seitensprungagentur“ in Ludwigshafen a. Rh., zu der E Verbindung gehabt hatte, eine Zahlenkombination aufgefunden, die mit der Rufnummer des Anrufbeantworters von S übereinstimmte. S bestritt jeglichen Kontakt zu der „Seitensprungagentur“ und dem Tatopfer. Hierauf ordnete der Ermittlungsrichter am AG auf Grund von § 103 StPO die Durchsuchung der Wohnung von S nach schriftlichen Unterlagen betreffend der „Seitensprungagentur“ und E an, die erfolglos blieb (Durchsuchungsbeschluss). Gleichzeitig verfügte der Ermittlungsrichter „gem. §§ 81 e, 81 f StPO molekulargenetische Untersuchungen an dem bei S durch die körperliche Untersuchung erlangten und an dem aufgefundenen Material“ (Untersuchungsbeschluss). Der Beschwerde gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wurde vom LG stattgegeben, da eine Durchsuchung nach § 103 StPO nur auf Grund bestimmter bewiesener Tatsachen zulassig sei.

Die Beschwerde gegen die Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen hatte hingegen keinen Erfolg.

 

Aus den Gründen: 

Die Beschwerde gegen die Anordnung einer molekulargenetischen Untersuchung ist unbegründet. Gern. §§ 81 e und 81 c II StPO sind bei anderen Personen als Beschuldigten solche Untersuchungen zulässig, wenn kein gesundheitlicher Nachteil zu befürchten ist und die Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich ist. Die Entnahme einer Speichel- oder Blutprobe ist ein geringfügiger Eingriff in die körperliche Integrität, der weder Gefahren für die Gesundheit mit sich bringt, noch zu dem Zweck der Maßnahme (Aufklärung eines Tötungsdelikts) außer Verhältnis steht (vgl. BVerfG, NJW 1996, 771 = NStZ 1996, 45 und BVerfG, NJW 1996, 1587 = NStZ 1996, 345). Die Maßnahme ist auch zur Erforschung der Wahrheit unerlässlich, weil es naheliegt, dass das am Tatort gefundene Spurenmaterial vorn Täter stammt und der Bf. über seine Verbindung zu der „Seitensprungagentur“ mit der Getöteten Kontakt gehabt haben kann.

 

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Anmerkung:

 

1. Zur Zulässigkeit einer Blutentnahme bei einem größeren Kreis von Verdächtigten vgl. BVerfG, NJW 1996, 3071.

 

2. In welcher Weise können die genetischen Merkmale eines Nichtverdächtigen(!) zur Überführung eines außerhalb der Person dieses Nichtverdächtigen liegen Täters beitragen? 

 

3. Der aus Mannheim stammende Täter wurde ca. 3 Monate nach der Tat ermittelt und später verurteilt.

 

4. Zur skandalösen Art und Weise der Durchführung der Durchsuchungsaktion bei diesem Nichtverdächtigen siehe dessen Strafanzeige.

 

 



                                                                                                       

 

Strafanzeige

 

 

An die

Staatsanwaltschaft Frankenthal                                                               

Friedrich-Ebert-Straße 4  

67222 Frankenthal

 

Betreff: Strafanzeige wegen §§ 123, 185, 186, 303, 344, 353 StGB gegen Beamte des Polizeipräsidiums Mannheim

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

hiermit erhebe ich Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), Übler Nachrede (§ 186 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) und Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB).

 

Die Strafanzeige richtet sich gegen Kriminalbeamten des Polizeipräsidiums Mannheim, die am 7.9.1999 in Ludwigshafen eine Durchsuchung meiner Räume vornahmen und von denen namentlich bekannt sind (siehe Anlage „Durchsuchungsbericht“):

 

-         KHK L. (Leiter)

-         KHK G.

-         KHK S.

-         KHM H.

 

 

Sachverhalt

 

Im Ermittlungsverfahren wegen eines Tötungsdeliktes zum Nachteil der Frau Lilli R. E. in Mannheim wurde gegen mich durch das Amtsgericht Ludwigshafen am 27.8.1999 die Durchsuchung meiner Wohnung in Ludwigshafen-Oggersheim angeordnet, nicht aber die Durchsuchung meiner Geschäftsräume (AG Ludwigshafen 4 b Gs 674/99, siehe Anlage). Der Grund des Durchsuchungsbefehls lag einzig und alleine darin, daß bei einer sogenannten „Seitensprungagentur“, zu der das Opfer Kontakt hatte, eine Zahlenkombination aufgefunden worden war, die zufällig mit der Rufnummer meines Computers bzw. meines Anrufbeantworters übereinstimmte.

 

Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Ludwigshafen hatte hierbei den Durchsuchungsbefehl ausdrücklich und eindeutig auf § 103 StPO gestützt, die Durchsuchung war also gegen einen Nichtverdächtigten gerichtet. Der gegen mich erlassene Durchsuchungsbefehl wurde mittlerweile durch das Landgericht Frankenthal mit Beschluß vom 18.11.1999 für rechtswidrig erklärt.

 

Bei der Durchsuchung sind mehrere strafrechtlich relevante Verstöße der durchsuchenden Polizeibeamten zu konstatieren:

 

1. Sachbeschädigung (§ 303 StGB):

 

Die Durchsuchung fand an einem Werktag zwischen 9.20 und 10.05 Uhr durch annähernd zehn Polizeibeamte statt. Da meine Frau und ich berufstätig sind, war niemand zuhause und die Eingangstür verschlossen. Die Polizeibeamten versuchten zunächst spektakulär, die Tür mit Hilfe der Feuerwehr zu öffnen, was jedoch nicht gelang. Bei dieser Aktion wurde ein erheblicher Schaden in Höhe von über 6000.- DM verursacht (siehe Anlage). Nachdem die Tür nicht geöffnet werden konnte, drangen die Polizeibeamten mit Leitern gewaltsam durch das Fenster ein, wobei sie ebenfalls einen größeren Schaden verursachten.    

 

Das Aufbrechen von Tür und Fenster stellt eine Sachbeschädigung dar. Zwar ist im Rahmen einer Durchsuchung notfalls auch das gewaltsame Öffnen von Türen und Fenstern ausnahmsweise zulässig. Eine Durchsuchung steht jedoch von vornherein unter dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG NJW 1994, 3281 [3282]; 1991, 690 [691]; 1966, 1603 [1607];). Dieser Grundsatz wurde im vorliegenden Fall vorsätzlich mißachtet, so daß für das Vorgehen der Beamten keine Rechtfertigungsgründe greifen:

 

Während des Versuches, die Tür aufzubrechen, wurden die Polizeibeamten von anwesenden Nachbarn mehrfach eindringlich darauf hingewiesen, daß meine im benachbarten Haus wohnende Schwiegermutter, Frau B., einen Haustürschlüssel besitzt. Diese sei lediglich kurzfristig in der Nähe einkaufen oder in der Kirche und sei üblicherweise gleich wieder zurück, da sie gehbehindert und bereits 80 Jahre alt ist.

 

Ferner machten Nachbarn die Beamten wiederholt darauf aufmerksam, daß meine Ehefrau innerhalb kurzer Zeit anwesend sein könne.

 

Meine Schwiegermutter ist während der Durchsuchung maximal 10 Minuten nach dem Eindringen der Beamten zurückgekommen (siehe Anlage Gesprächsnotitz Frau B.). Meine durch die Schwiegermutter telefonisch benachrichtigte Ehefrau ist gegen Ende der Durchsuchung angekommen, also innerhalb eines Zeitraumes von weniger als 45 Minuten.

 

Das Aufbrechen von Tür und Fenstern ohne Einhalten einer geringen Wartezeit war demnach ermessensfehlerhaft willkürlich und unverhältnismäßig und stellt eine rechtswidrige Sachbeschädigung dar.

 

Eine Wartepflicht hat ferner aufgrund von § 106 StPO bestanden. Die Polizeibeamten haben vorsätzlich die Anwesenheit des Wohnungsinhabers bzw. eines sonstigen Zeugen vereitelt. § 106 StPO (ähnlich 105 II StPO) schreibt ausdrücklich vor, daß der Wohnungsinhaber bzw. ein Hausgenosse oder Nachbar der Durchsuchung beiwohnen darf, sofern dies möglich ist. „Unmöglich“ ist die Zuziehung von Zeugen nur dann, wenn die durch Tatsachen begründete naheliegende Möglichkeit gegeben ist, daß durch die Suche nach bereiten Zeugen der Erfolg der Durchsuchung vereitelt wird (BGH NStZ 1986, 84; RG 55, 161; Rudolphi: SK zur StPO, § 105, Rnr. 18).

 

Schließlich war die Durchsuchung auch ausdrücklich gegen einen Nichtverdächtigten gerichtet, so daß eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht bestanden hat.

 

Es drängt sich der Verdacht auf, daß die durchsuchenden Polizeibeamten die Anwesenheit mißliebiger Zeugen verhindern wollten: Ein Durchsuchungszeuge nach § 106 StPO wurde nicht hinzugezogen. Ob ein tauglicher Durchsuchungszeuge nach § 105 II StPO zugegen war, kann ich nicht sagen; zwar hat hier als Zeugin eine Tanja M. unterschrieben, ich weiß allerdings bis jetzt nicht, wer dies ist. Ferner hat die Durchsuchung an einem Werktag Vormittag zu einer Zeit stattgefunden, wo mit einer Abwesenheit der Wohnungsinhaber zu rechnen war.

 

Ein Warten auf das Eintreffen meiner Ehefrau bzw. meiner Schwiegermutter war somit angesichts des nur geringen Zeitverzuges und der nicht vorhandenen Gefahr im Verzug nach  § 106 StPO sowie nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erforderlich.

 

Die Beamten haben auf die Vorstellungen der Nachbarn lediglich geantwortet, ein Zuwarten sei nicht nötig. Hierfür sind als Zeugen Frau W. und Herr H. vorhanden (siehe Anlagen Gesprächsnotitz Frau W. und Herr H.).

 

An einem vorsätzlichen Handeln der verantwortlichen Polizeibeamten kann kein Zweifel bestehen: Sie sind von den Nachbarn wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, daß Tür und Fenster nicht aufgebrochen werden müssen, und ihnen ist im Rahmen ihrer Ausbildung sowie ihres Dienstgrades das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot und § 106 StPO bekannt. Daß der Schaden durch den Steuerzahler beglichen wird, ändert nichts am Vorliegen einer vorsätzlichen Sachbeschädigung.

 

 

2. Hausfriedensbruch (§ 123 StGB):

 

In dem Durchsuchungsbefehl des Amtsgerichtes Ludwigshafen wurde lediglich die Durchsuchung meiner Wohnung mit Nebenräumen und der Fahrzeuge angeordnet, nicht aber die Durchsuchung meiner Geschäftsräume. Die Beamten haben jedoch auch unzulässigerweise mein Büro durchsucht, das ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit als selbständiger Fotograf betreibe. Daß ich fotografisch tätig bin, wußte zumindest KHM H. auf Grund meiner Vernehmung beim Polizeipräsidium Mannheim. In meinem Büro wurden die beschlagnahmten Gegenstände sichergestellt. Es war für die Beamten auf Grund der Einrichtung (Büromöbeln, Fotogeräte, Computer, Kommunikationsgeräte, Regale mit Aktenordnern an den Wänden) ohne weiteres erkennbar, daß es sich um einen Büroraum handelte. Da das Betreten von Geschäftsräumen nicht durch den Durchsuchungsbefehl gedeckt war, haben die Beamten auch vorsätzlich Hausfriedensbruch begangen.

 

 

3. Beleidigung (§ 185 StGB), Üble Nachrede (§ 186 StGB),

Verrat von Dienstgeheimnissen (§ 353 b StGB):

 

Die Durchsuchung richtete sich laut dem richterlichen Durchsuchungsbefehl ausdrücklich gegen einen Nichtverdächtigten. Trotzdem haben die Polizeibeamten bei den Nachbarn gegen mich wie gegen einen Verdächtigten ermittelt und mein Ansehen in der Öffentlichkeit herabgewürdigt.

 

Zunächst hat die massive Art und Weise der Durchsuchung meine Integrität in der Öffentlichkeit erheblich geschädigt, da ich hierdurch, obwohl Nichtverdächtigter, naturgemäß als Krimineller gebrandmarkt wurde.  

 

Ferner wurde in der Nachbarschaft von Polizeibeamten ein Bild des Tatopfers umhergezeigt und gefragt, ob die Getötete oder andere Frauen bei mir ein- und ausgegangen seien. Da ich Nichtverdächtigter war und bin, brachte mich dieses unnötige Vorgehen in der Öffentlichkeit als potentiellen Mörder in Verdacht und stellt eine Kundgabe der Nichtachtung und Mißachtung meiner Person dar (§ 185 StGB).

 

Ferner wurde den Nachbarn wahrheitswidrig mitgeteilt, daß meine Telefonnummer bei dem Opfer gefunden worden wäre (siehe Anlage Gesprächsnotiz Herr H., der glaubt, den betreffenden Beamten identifizieren zu können). Tatsächlich war nicht bei dem Opfer, sondern bei einer sogenannten „Seitensprungagentur“ eine Zahl gefunden worden, die zufällig mit der Rufnummer meines Computers bzw. meines Anrufbeantworters übereinstimmte. Die wahrheitswidrige, unnötige Äußerung gegenüber Nachbarn, meine Telefonnummer sei bei dem Opfer gefunden worden, brachte mich, zumal in Verbindung mit der spektakulären Art und Weise der Durchsuchung, in der Öffentlichkeit mit dem Tötungsdelikt als möglicher Tatbeteiligter in Verbindung und ist geeignet, mich verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (§ 186 StGB).

 

Die völlig unnötige Mitteilung, meine Telefonnummer sei bei dem Tatopfer gefunden worden, stellt ferner eine Verletzung des Dienstgeheimnisses dar (§ 353 b StGB). Zwar wurde meine Telefonnummer tatsächlich nicht bei dem Opfer sondern bei einer „Seitensprungagentur“ aufgefunden, aber auch bei einem diesbezüglichen Irrtum des Beamten bleibt der Versuch strafbar (§ 353 b III StGB).

 

Im übrigen erregte das massive und überfallartige Vorgehen der Polizei gegen einen Nichtverdächtigten sowie der verursachte bedeutende Sachschaden in der Öffentlichkeit großes Aufsehen und starke Irritationen. Es hat das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei erheblich erschüttert, so daß ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

 

 

Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB)

 

Als Begründung für die Aktion äußerten Polizeibeamte gegenüber Nachbarn, ich sei „selbst schuld“, da ich „nicht gekommen“ sei (siehe Anlage Gesprächsnotiz Herr H.). Was mit dieser Aussage gemeint war, ist mir rätselhaft. Gemeint ist möglicherweise, ich sei trotz einer Vorladung nicht bei der Polizei erschienen. Dies ist jedoch unzutreffend, da ich einige Zeit zuvor beim Polizeipräsidium Mannheim freiwillig einer Vorladung nachgekommen war.

 

Angesichts dieser Äußerung sowie des massiven Vorgehens bei der Durchsuchung und dem Herumfragen in der Nachbarschaft, ist festzustellen, daß hier ungerechtfertigte Ermittlungen gegen einen Nichtverdächtigten ins Blaue hinein vorgenommen wurden, ohne daß hinreichende Verdachtsgründe vorlagen. Es ist in keinster Weise ersichtlich, wieso etwa aufgefundene Hinweise von Kontakten meinerseits zum Tatopfer bzw. der „Seitensprungagentur“ für das Auffinden eines nicht in meiner Person liegenden Täters hätten beitragen können. Durchsuchungen ins Blaue hinein, zumal bei einem Nichtverdächtigten, sind jedoch verfassungswidrig. Die ganze Aktion kann ganz offensichtlich nur so gesehen werden, daß sich die Durchsuchung zwar formal mangels hinreichender Verdachtsgründe gegen einen Nichtverdächtigten richtete, tatsächlich aber Beweismittel für meine Täterschaft gefunden werden sollten. In der Nachbarschaft erweckte das Vorgehen der Polizei den Eindruck einer „Strafaktion“.

 

Die strafrechtliche Verfolgung Unschuldiger, worunter jedes dienstliche Tätigwerden im Rahmen eines Strafverfahrens zu verstehen ist, ist nach § 344 StGB strafbar.

 

                                                                                        

Anmerkung:

Die Strafanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Frankenthal niedergeschlagen.

 

 


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